
Mut zur Lücke: Neues Verfahren will den Metall-3D-Druck beschleunigen

Thomas Beising, Simulationsingenieur beim ECOMAT-Partner TECHNIA, Bild: WFB/Rathke
Den 3D-Druck von Metallen mittels neuer Verfahren beschleunigen – das hat sich das Projekt APFeL vorgenommen. In Kooperation mit Partnern wie TECHNIA und dem Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien – IWT vereinen Expertinnen und Experten im Bremer ECOMAT Materialwissenschaften, Leichtbau und Digitalisierung.
Im Metall-3D-Druck sind Poren – Gaseinschlüsse im gedruckten Material – normalerweise ein Anzeichen für einen Fehler im Prozess. Insbesondere in kritischen Branchen wie dem Flugzeugbau werden Bauteile daher nachträglich per Röntgen auf solche Einschlüsse untersucht. Denn die Poren – weniger als einen Millimeter groß – wirken sich auf die strukturelle Integrität eines Bauteils aus und können so zu Materialschwächungen führen.
It is not a bug, it’s a feature!
Lufteinschlüsse entstehen unter anderem, wenn sehr schnell gedruckt wird. Könnte man dies nutzen und Poren gezielt in Kauf nehmen? Diese Frage stellt sich im Forschungsprojekt „APFeL“ (Anforderungsangepasste Prozessführung für eine effiziente laseradditive Fertigung von Leichtbaukomponenten), an dem Partner:innen aus Forschung und Industrie mit Bremer Beteiligung arbeiten.
„Können wir in bestimmten Regionen eines Bauteils schnell drucken und damit bewusst Poren in Kauf nehmen, um den Gesamtprozess zu beschleunigen?“, erläutert Thomas Beising, Simulationsingenieur beim ECOMAT-Partner TECHNIA.
Denn: Zeit spart Geld, besonders beim Betrieb von kostspieligen 3D-Druck-Maschinen. Um dennoch die Stabilität der Bauteile zu gewährleisten, soll das beschleunigte Druckverfahren nur in Bauteilbereichen angewendet werden, die geringen Belastungen ausgesetzt sind. Der Gedanke dahinter: Wo geringe Kräfte wirken, muss das Material nicht absolut porenfrei sein.

Simulation niedrigbelasteter Regionen im Bauteil, Bild: WFB/Rathke
Alternative Druckmethode zur Topologieoptimierung
Viele kennen eine ähnliche Herangehensweise von der sogenannten Topologieoptimierung: Ingenieur:innen entwerfen dabei 3D-Druck-Bauteile am Computer so, dass sie mit minimalem Materialaufwand maximale Stabilität erreichen. Durch filigrane, organisch anmutende Strukturen wird Material nur dort aufgetragen, wo es mechanisch notwendig ist. Das Ergebnis: Leichtbaukomponenten mit eleganten, oft ungewöhnlichen Formen, wie alle sie aus Medienberichten über moderne Fertigung kennen.
Das APFeL-Projekt verfolgt jedoch einen anderen Ansatz. Hier kann die ursprüngliche Geometrie erhalten bleiben – es werden keine Hohlräume oder Aussparungen in die Konstruktion integriert. Stattdessen passt sich der Druckprozess an: In niedrigbelasteten Bereichen wird mit höherer Geschwindigkeit gearbeitet. „Unser Verfahren eignet sich besonders für festgelegte Bauteilgeometrien, bei denen die Form nicht mehr verändert werden soll“, erklärt Thomas Beising von TECHNIA den Unterschied zur Topologieoptimierung. TECHNIA entwickelt in dem Projekt ein Berechnungsalgorithmus der niedrigbelasteten Regionen im Bauteil geringere Materialeigenschaften zuweist und wiederum in automatisierten Prozessschleifen auf ausreichende Festigkeiten überprüft.
Nach erfolgreicher Simulation jetzt Praxisversuche am Start
Bereits in ersten Simulationen zeigte sich das Verfahren vielversprechend. Am Modell einer Fahrradkurbel wurde getestet, wie sich die Druckzeit verkürzen lässt:
- Bis zu 50 Prozent schnellere Fertigung
- Festigkeit reduzierte sich um 20 Prozent, Steifigkeit um 10 Prozent
- Materialdichte sank um rund 10 Prozent
„Wir erreichen eine deutliche Beschleunigung, während die mechanischen Einbußen minimal bleiben. Das sind sehr vielversprechende Ergebnisse“, fasst Beising zusammen.
Nun soll sich zeigen, ob sich die positiven Simulationsergebnisse auch in der Praxis bestätigen. Dafür führt das Bremer IWT Testreihen an einem Standardprüfträger durch.

Beising freut sich über neue Projekte mit ECOMAT-Partnern, Bild: WFB/Rathke
Bremen profitiert von Leichtbau und 3D-Druck als Querschnittskompetenzen
Im APFeL-Projekt werden noch weitere Technologien rund um die Additive Fertigung im Leichtbau erprobt, die bei den anderen Projektpartnern liegen. Zu denen gehören der 3D-Druck-Konzern Materialise, das Fraunhofer IAPT in Hamburg, das 3N-Kompetenzzentrum in Werlte und das Industrieunternehmen Inpeca aus Aachen. „Im 3D-Druck können wir vom Wissen aus vielen Branchen profitieren und es ist ein Paradebeispiel für Technologietransfer in der Industrie. Deshalb sind solche Projekte wie APFeL wichtig, um Innovationen zu schaffen“, so Beising weiter.
Entstanden sei die Projektidee im ECOMAT bei einem gemeinsamen Treffen verschiedener Partner. „Das ECOMAT bietet eine wunderbare Grundlage dafür“.
In der Hansestadt eine Zukunft gefunden
Der Schwarzwälder kam für sein Studium 2002 erstmals nach Bremen, zog dann aber für Jobs bis nach Wien. Die Begeisterung für die Hansestadt ließ ihn aber nicht los. „Ich hatte Heimweh nach Bremen, ich fühle mich hier sehr wohl, hier gibt es alles, was man braucht, die Stadt ist sehr grün, das mag ich. Als sich 2015 die Chance bot, wieder nach Bremen zu ziehen und von hier aus zu arbeiten, habe ich sie ergriffen“, so der Simulationsexperte, der unter anderem im Bereich des Flugzeugbaus viel Erfahrung gesammelt hat.
Damals war er noch für das Wiener Kleinunternehmen Prime aerostructures tätig, das 2024 vom Technologieunternehmen TECHNIA aus Karlsruhe erworben wurde. TECHNIA beschäftigt sich mit der Digitalisierung von Produktentwicklungsprozessen und bietet mit 3DEXPERIENCE eine Business-Software für alle Bereiche und Branchen in der Industrie. Von den 525 Angestellten sitzen 200 in Deutschland, in Bremen hält Beising allein die Fahne hoch. „Durch das digitale Arbeiten sind wir natürlich jederzeit vernetzt und ich profitiere stark von den vielfältigen Kompetenzen meiner neuen Kolleginnen und Kollegen. Und TECHNIA erhält durch mich Zugang zur Innovationslandschaft in Bremen, das ECOMAT ist hier eine wichtige Schnittstelle“.
Besonders bei Veranstaltungen freut sich Beising deshalb künftig darauf, TECHNIA im ECOMAT zu vertreten. Nur im Büroalltag wünscht er sich manchmal etwas mehr Lebendigkeit. „Viele im ECOMAT wissen gar nicht, wo ich hier im ersten Stock sitze – ich freue mich immer über Besucherinnen und Besucher oder einen gemeinsamen Ausflug auf einen Kaffee in die Cafeteria!“
Über Technia
Neue Produkte auf den Markt zu bringen ist ein komplexer, kostenintensiver und zeitaufwändiger Prozess. In wettbewerbsintensiven Branchen sind Effizienz und Transparenz gefragter denn je. Deshalb bieten wir unseren Kunden digitale Lösungen, die Prozesse vereinfachen, Produktinnovationen vorantreiben und die Markteinführungszeit verkürzen.
Einfachheit können wir nicht immer versprechen. Aber mit der richtigen Mischung aus Technologie, Menschen und Engagement reduzieren wir Komplexität, damit Unternehmen effizienter und erfolgreicher werden.
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