
Vom Insektenbein bis zum Beton – neues Mikroskop macht Verborgenes sichtbar

Dr. Jendrian Riedel, Biologe und wissenschaftlicher Koordinator, vor dem neuen ESE-Mikroskop, Bild: Hochschule Bremen
Materialcharakterisierung in Bremen – das neue DFG-Gerätezentrum an der Hochschule Bremen erlaubt es, Materialien im Nanometermaßstab unter dem Mikroskop zu erforschen. Ergänzt wird das System durch eine Zugprüfeinheit, die mechanische Belastungen auf Proben ausübt – während sie mikroskopisch untersucht werden. Das Gerätezentrum ist offen für Kooperationen, insbesondere mit Partnern aus der Luft- und Raumfahrtindustrie.
Historie und Innovation an einem Ort – das neue Gerätezentrum für multidisziplinäre Strukturanalyse liegt im Keller des 1906 errichteten M-Trakts der Hochschule Bremen. Unter einem 120 Jahre alten Kreuzgewölbe steht hier eines der modernsten Mikroskope im Norden: ein sogenanntes Environmental Scanning Electron Microscope (ESEM).
Es eröffne der Forschung in Bremen völlig neue Möglichkeiten, erklärt Prof. Dr. Jan-Henning Dirks, Leiter des Fachbereichs Biologische Strukturen und Bionik und Leiter des Gerätezentrums: „Wir müssen Proben nicht mehr aufwendig vorbereiten und in ein Vakuum bringen, sondern können sie im natürlichen Zustand untersuchen. Das ist in Deutschland bislang nur an wenigen Standorten möglich.“
Für alle Natur- und Ingenieurwissenschaften ein Gewinn
Besonders interessant ist das etwa für die Biologie, wo Proben alleine durch das Vakuumieren und vorbereitende Bedampfen mit Gold verändert werden. Aber auch alle anderen Disziplinen profitieren von den neuen Möglichkeiten des Mikroskops. Denn mit ihm lässt sich jetzt zum Beispiel eine Elementanalyse durchführen. „Was für Materialien und Elemente machen die Oberfläche eines Werkstoffs aus? Das konnte man mit einem herkömmlichen Rasterelektronenmikroskop nur schwer herausfinden, da man die Oberfläche dort immer mit Gold bedampfen musste. Wir können das jetzt“, so Dirks weiter.
ESE-Mikroskop kombiniert einzigartige Fähigkeiten
Der große Vorteil des Systems liegt in seiner Modularität. Verschiedene Erweiterungsmodule ermöglichen anwendungsnahe Experimente für unterschiedliche Fachrichtungen:
- Ein Zugprüfmodul erlaubt die Belastung von Proben mit Zugkräften von bis zu 10 Newtonmetern bei Probenlängen im Zentimeterbereich.
- Ein Hitzemodul ermöglicht die Temperierung von Proben bis 1.000 °C.
„Für neue Forschungsvorhaben können wir je nach Projekt zudem noch neue Module anschaffen. Das erweitert unsere Möglichkeiten beträchtlich“, so Dirks.
Die Kombination aus Genauigkeit unter natürlichen Bedingungen (Auflösung des ESEM: bis zu 1 Nanometer) und Flexibilität sei ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal für Bremen. „Damit spielen wir in der oberen Liga mit und können Bremens Ruf als exzellenten Ort für Forschung und Entwicklung abermals untermauern“, ist sich Dirks sicher.

Legeapparat einer Fruchtfliege (795-fache Vergrößerung), Bild: Hochschule Bremen/Riedel
Services für Industrie und Forschung in Norddeutschland
Neben dem ESEM umfasst das neue Zentrum weitere Geräte für die multidisziplinäre Strukturanalyse – darunter einen Mikro-Computertomographen, der hochauflösende 360°-Scans von bis zu tennisballgroßen Objekten mit einer Auflösung von bis zu 5 μm (Mikrometer) erstellt.
Die operative Leitung des Zentrums liegt bei Dr. Jendrian Riedel, Biologe und wissenschaftlicher Koordinator. Er betreut Forschungsprojekte, schult Anwender:innen und organisiert den Betrieb: „Wir freuen uns auf gemeinsame Projekte mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Die Infrastruktur steht explizit auch externen Partnern offen.“
Eine offizielle Preisliste regelt die Nutzung. Besonders willkommen sind jedoch neue Forschungskooperationen, etwa mit Industriepartnerinnen und -partnern oder Forschungseinrichtungen zum Beispiel aus dem Luft- und Raumfahrtbereich. „Das Zentrum wurde unter anderem für die Material- und Werkstoffwissenschaften konzipiert. Unsere Verbindung zur Bionik-Forschung an der Hochschule Bremen schafft viele thematische Schnittmengen“, ergänzt Riedel.
Vernetzt in die Bremer Forschungslandschaft
Über Prof. Dirks ist das Zentrum zudem in das MAPEX Center for Materials and Processes der Universität Bremen eingebunden. Auch zum Forschungs- und Entwicklungszentrum ECOMAT – bei dem die Hochschule Bremen Mitglied ist – bestehen enge Verbindungen.
„Die Materialcharakterisierung spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung neuer Werkstoffe für die Luft- und Raumfahrt“, betont Dirks. „Als ECOMAT-Mitglied profitieren wir vom direkten Austausch mit Industrie und Forschung – und laden alle herzlich ein, unsere Möglichkeiten zu nutzen.“
Als eines von 14 Projekten bundesweit gefördert
Das Gerätezentrum für multidisziplinäre Strukturanalyse wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit einer Million Euro gefördert und im Januar 2025 offiziell eingeweiht.
Weitere Informationen zu den Geräten auf der Webseite des Zentrums: https://www.hs-bremen.de/en/hsb/faculties/school-of-nature-and-engineering/core-facility-for-multidisciplinary-structural-analysis/
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