Design for Efficiency: mit einem Koffer in die nachhaltige Flugzeugproduktion
Design for Efficiency: Hinter diesem Begriff versteckt sich die Idee, Systeme nicht nur so zu konstruieren, dass sie ihren Zweck erfüllen, sie sollen dabei auch möglichst wenig Energie verbrauchen. Im Flugzeugbau geht der ECOMAT-Partner Composite Technology Center (CTC) neue Wege, um die Fabrik von heute zu optimieren und die von morgen energieeffizient zu gestalten.
Im Flugzeugbau hat Effizienz eine Königsstellung inne – je weniger Ressourcen eine Maschine verbraucht, desto besser. Das gilt nicht nur für den Flugbetrieb, auch für die Fertigung in der Halle. Verfahren werden stetig optimiert, um noch bessere Materialien mit geringerem Ressourceneinsatz bei gleichbleibend hoher Sicherheit zu finden.
Ressourcen sparen heißt aber nicht nur, innovative Materialien zu benutzen, sondern auch bestehende Prozesse zu optimieren, sodass sie zum Beispiel weniger Energie verbrauchen. In einer hochkomplexen Fabrik eine anspruchsvolle Aufgabe. Maschinen sind über vernetzte Prozesse miteinander verknüpft – ein Gerät an der einen Stelle ausgeschaltet, kann an einer anderen Stelle zu Problemen im Ablauf führen oder bedarf einer aufwendigen Einschalt-Prozedur.
„Und damit kommen wir zur Kernfrage: Wieviel Energie benötigen wir an welcher Stelle, um Wertschöpfung zu erreichen? Und wie optimieren wir Prozesse daraufhin?“, erläutert Jan Ohm, Projektleiter am CTC. Zusammen mit Jannis Eckhoff, ebenfalls Projektleiter am CTC, bildet er eines der Nachhaltigkeitsteams, welche sich die Fertigungsverfahren ganz genau anschauen. Die beiden wollen herausfinden, an welchen Stellen sich Energie einsparen lässt, ohne das Gesamtsystem zu beeinträchtigen.
Das Composite Technology Center – CTC GmbH ist eine hundertprozentige Airbus-Tochter und agiert als Leichtbau-Technologiezentrum in Stade und unter anderem mit Büros im Bremer Forschungs- und Technologiezentrum ECOMAT. Es entwickelt Leichtbau-Technologien, ganzheitliche Leichtbaulösungen für die Luftfahrtindustrie, aber auch für über internationale100 Kundinnen und Kunden aus verschiedensten Branchen. Dabei stehen oft die Bauweisen mit den Materialien und dazugehörigen Produktionsprozessen im Fokus. Das CTC fertigt auch Prototypen sowie Testbauteile und bietet professionelle Schulungen und Trainings für die Fertigung von Verbundwerkstoffen an. Als solches hat der ECOMAT-Partner besonders die Flugzeugbauweisen und -fertigung der Zukunft im Blick.
Unterwegs mit mobiler Messelektronik
Einen Trick haben die Experten dabei im Koffer – im wahrsten Sinne des Wortes: die „PERU Portable Energy Recording Unit“, einen Messkoffer, der mit einer Vielzahl an Sensoren ausgerüstet ist – zum Beispiel für Druckluft oder elektrische Energie. Er kann bis zu 15 elektrische Messpunkte parallel erfassen und aufzeichnen. „Wir können damit den gesamten Strom sowie den Strom einzelner Komponenten einer Anlage wie zum Beispiel eine Heizung messen, ohne die Anlage modifizieren zu müssen“, so Ohm.
Basierend auf Anforderungen von Airbus-Kollegen entstand der Messkoffer am CTC im Rahmen der Bachelorarbeit des angehenden Ingenieurs Florian Kohne. Mitsamt des dazugehörigen Analyse- und Auswertungsprozesses wurde das Verfahren für den JEC Innovationsaward 2024 nominiert – eine Adelung, auf die das Team stolz ist. Auch eine verbesserte Version 2 wurde entwickelt, sie wird im nächsten Jahr im Werk in Hamburg in den Einsatz gehen.
Mit den aufgenommenen Daten können dann zum Beispiel Energiesimulationen durchgeführt und Prozesse hinsichtlich der Energie optimiert werden. Damit lässt sich nicht nur die aktuelle Fabrik verbessern: „Mit dem gewonnenen Wissen unterstützen wir künftige Produktionsprozesse. Wir können empfehlen, welche Prozesse und Hardware aus energetischer Sicht sinnvoll sind und welche Sensoren und Datenschnittstellen benötigt werden. Denn natürlich ist es besser, eine Anlage von vornherein effizient zu planen, als diese im Nachhinein zu optimieren“, erklärt Eckhoff.
Life Cycle Assessment (LCA) im Flugzeugbau – den ganzen Produktlebenslauf betrachten
Die Fähigkeiten des Nachhaltigkeitsteams haben sich nicht nur im CTC herumgesprochen – im Airbuskonzern erhält das Team regelmäßig Anfragen. Auch in Bremen sind sie bereits mit ihrem Koffer in der Fertigung unterwegs, um Daten für Lebenszyklusanalysen von thermoplastischen, faserverstärkten Kunststoffbauteilen aufzunehmen. Denn die Daten und Erkenntnisse sind auch für die Verbesserung von zukünftigen Produkten wichtig. Mittels Lebenszyklusanalysen können deren Umweltauswirkungen frühzeitig abgeschätzt werden. Dabei unterstützen die Daten das Airbus-LCA-Team dabei, die Fertigung von Bauteilen realistisch zu modellieren. „Die ganzheitliche Betrachtung von Produkten wird immer relevanter. Wir müssen Produkte von Anfang bis Ende durchdenken, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen“, ergänzt Ohm.
Teil des Forschungs- und Technologiezentrums ECOMAT
Der Energiemesskoffer ist dabei nicht das einzige Projekt, am CTC wird schon seit langem an Nachhaltigkeitsthemen wie dem Recycling von Materialien gearbeitet und es werden stets neue Ideen generiert. Neben der Energieerfassung sollen nun Systeme etabliert werden, um Energie- und Materialströme effizient und detailliert aufzunehmen und deren Verbrauch und Einsatz zu tracken und zu optimieren. Das Ziel: weniger Müll und Materialverschwendung und damit Ressourcenschonung. „Wir kommen so der ganzheitlichen Nachhaltigkeit in der Produktion näher“, sagt Eckhoff.
Und das nicht nur in Stade oder Hamburg, sondern auch in Bremen: Von den rund 60 Angestellten im CTC arbeiten ein halbes Dutzend am ECOMAT, andere kommen regelmäßig hierher. Der Bremer Jan Ohm freut sich über diese Zusammenarbeit – nicht nur, weil er so in seiner Heimatstadt arbeiten kann: „Wir haben viele Anknüpfungspunkte in Richtung CFK-Fertigung, zu den Airbus-Plateaus Materials & Processes und Research & Technologies, aber auch zu anderen ECOMAT-Partnern, wie dem Faserinstitut Bremen e.V. und TESTIA. Diese Gemeinschaft ist ungemein wichtig und hilft uns, die richtigen Technologien für eine hochkomplexe und vernetzte Flugzeugfertigung zu entwickeln.”