
„Was mich an Bremen begeistert, ist die Kombination aus historischer Tiefe und technologischer Weitsicht“

Prof. David May ist Experte für Verbundwerkstoffe, Bild: ECOMAT/Rathke
Seit August 2024 ist Prof. Dr. David May neuer Institutsleiter am FIBRE Faserinstitut Bremen. Der Experte für die Verarbeitung von Verbundwerkstoffen will die Zusammenarbeit mit dem ECOMAT in Zukunft weiter intensivieren, wie er im Interview verrät.
Herr Prof. May, was war Ihr erster Berührungspunkt mit Bremen?
Tatsächlich war ich in meinem ganzen Leben nur einmal zuvor in Bremen, und zwar in meinem allerersten Jahr in der Forschung. Wir haben damals eine Exkursion gemacht unter anderem zu einem Werksbesuch bei Airbus. Danach gab es durch meine Arbeit in Kaiserslautern immer wieder inhaltliche Überschneidungen mit dem Faserinstitut in Bremen. Die Welt der Verbundwerkstoffe ist nicht so groß, man kennt sich.
Wie wurden Sie hier aufgenommen?
Mein Eindruck war durchweg positiv – ich habe viel Enthusiasmus bei meinen Fachkolleg:innen gespürt und den Wunsch, gemeinsam Dinge voranzubringen. Das hat mir sehr gefallen und war sicherlich ein wichtiger Aspekt meiner Entscheidung.
Es folgten viele Kennenlernrunden, die ich damit verbrachte, die verschiedenen Standorte vom Institut und seinen Partnern zu besuchen. Ich war z.B. an der Universität, beim ECOMAT und in der Baumwollbörse, und habe auch unsere Cotton-Konferenz besucht.

May bringt viel Erfahrung im Bereich der Prozesssimulation und -überwachung ein, Bild: ECOMAT/Rathke
Ihre Entscheidung nach Bremen zum Faserinstitut zu kommen – wie spielt das in Ihre fachlichen Interessen und Stärken?
Was mich hier besonders fasziniert, ist die Kombination aus historischer Tiefe und technologischer Weitsicht. Das Institut hat seine Wurzeln in der Materialprüfung behalten und stetig weiterentwickelt und hat sich gleichzeitig immer auch ein Stück weit neu erfunden und ist auch exzellent vernetzt. Ich bin in der Verarbeitungstechnik seit über zehn Jahren aktiv, beschäftige mich zudem mit Prozesssimulation und -überwachung. Die Stärke des Faserinstituts im Bereich Bildanalyse und Monitoring spielt direkt in meine Schwerpunkte hinein. Hier wird auf einem sehr hohen Niveau geforscht – von Fertigungstechnologien bis hin zu einem tiefen Verständnis der Werkstoffe. Besonders beeindruckend ist auch das neue CRYOLAB, in dem Werkstoffprüfungen bei Tieftemperaturen durchgeführt werden.
Sind alle Themen hier ein alter Hut für Sie oder lernen Sie auch Neues?
Als Forscher ist es aber immer auch spannend, in neue Felder hineinzublicken. Die Prüfung von Baumwolle als eine Traditionsaufgabe des Instituts ist neu für mich, aber ich sehe viele Überschneidungen mit meinem angestammten Forschungsfeldern. Neu ist für mich auch der Bereich Messsysteme und Monitoring. Hier habe ich zwar auch Erfahrungen gesammelt, aber das Faserinstitut steigt hier wirklich sehr tief ein bis hin zur Entwicklung eigener Daten-Auswerteroutinen. Diese Kombination aus Tradition und Innovation macht das Institut für mich besonders interessant.
Als Institutsleiter kommen viele Aufgaben auf Sie zu. Vielen Wissenschaftler:innen blutet ein wenig da Herz, wenn sie sich weg von ihren Kernthemen bewegen. Haben Sie noch Zeit zu forschen?
In Kaiserslautern war ich bereits auf Direktoriumsebene tätig und hatte dort Verantwortung für Budgets, Wirtschaftspläne etc. Das ist mir also nicht neu. Trotzdem ist es mir wichtig, weiterhin wissenschaftlich aktiv zu bleiben. Der Schlüssel dazu ist, sich eng mit den Promovierenden und Studierenden auszutauschen. Ich betreue Promotionen, lese studentische Arbeiten und bin auch bei Vorträgen dabei. Ich schreibe auch noch selbst Paper und natürlich muss ich tief drin sein, um mit dem Team die Forschungsstrategie zu entwickeln.
Es gibt auch Themen, die mir besonders am Herzen liegen und die ich seit vielen Jahren verfolge, wie meine Arbeit in internationalen Gremien zur Standardisierung und zum Benchmarking bei der Verarbeitung von Verbundwerkstoffen. Ich will mir diese wissenschaftliche Tiefe bewahren.
Mit 37 Jahren sind Sie Institutsleiter geworden – haben Sie sich als Student vorgestellt, diese Karriere zu machen?
Als Kind war ich sehr wissbegierig und hatte immer die "Bild der Wissenschaft" abonniert. Schon früh habe ich mit dem Gedanken gespielt, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Ich hatte das Glück, in meiner Laufbahn auf sehr gute Mentoren zu treffen, besonders in Kaiserslautern. Diese Unterstützung war entscheidend dafür, dass ich schließlich die Kompetenzen erworben habe, um hier in Bremen zu landen.
Wollen Sie auch selbst diese Förderung, die sie erfahren haben, an künftige Generationen weitergeben?
Das ist mir sehr wichtig. Es ist natürlich eine paradoxe Situation in der Wissenschaft: Man weiß, dass das System auf Fluktuation ausgelegt ist, d.h. viele derjenigen die man fördert werden das Institut verlassen.
Ich selbst hatte eine Nachwuchsforschendengruppe, die mir enorm geholfen hat, und ich versuche, unsere wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen zu ermutigen, sich ebenfalls um solche Möglichkeiten zu bemühen, beispielsweise für Postdoc-Aufenthalte im Ausland.
Am Ende profitieren auch wir als Institut davon, wenn wir Menschen auf die Zukunft in Wissenschaft oder Industrie gut vorbereiten und sie erfolgreich platzieren können. Das ist für mich eine Herzensangelegenheit, weil ich weiß, wie schwierig dieser Weg sein kann.

Neben der Arbeit in der Institutsleistung forscht May auch weiterhin auf seinem Fachgebiet, Bild: ECOMAT/Rathke
Sie waren jetzt schon einige Male am ECOMAT. Welchen Eindruck haben Gebäude und Menschen auf Sie gemacht?
Mein erster Besuch am ECOMAT war beeindruckend, vor allem wegen der Größe und der professionellen Ausstattung. Das Technikum, die Labore für Kunststoff- und Faserprüfungen sowie die modernen Büroflächen, die Infrastruktur ist auf einem sehr hohen Niveau.
In den ersten Wochen habe ich nach und nach die Vorteile des Standorts entdeckt. Durch die vielen Akteur:innen, die Veranstaltungen und regelmäßigen Treffen entstehen immer wieder spontane Gelegenheiten für Vernetzung und Austausch. Diese Nähe zu wichtigen Partnerinnen und Partnern wie Airbus direkt im Haus oder auch Ariane direkt nebenan bietet enormes Potenzial für langfristige Beziehungen.
Sie haben gerade das Thema Airbus angesprochen. Sie haben die Stiftungsprofessur inne, sollen zum Thema Fügetechniken arbeiten. Haben Sie da schon eine Vision, wie Sie das ausfüllen wollen?
Wir beschäftigen uns mit der Entwicklung von nietfreien Verbindungen für die Luftfahrt, ein sehr spannender Forschungsbereich. Traditionell sind Flugzeuge voller Nieten, die nicht nur Gewicht, sondern auch zusätzliche Arbeitsschritte mit sich bringen. Außerdem beeinflussen Nieten die Verteilung der mechanischen Kräfte und erzeugen Spannungskonzentrationen. Deshalb arbeiten wir an Alternativen wie dem Schweißen von Thermoplasten.
Beim thermoplastischen Schweißen ist das Ergebnis eine einheitliche Verbindung, die die Kräfte genauso gut übertragen kann wie Nieten. Besonders spannend ist, dass wir hier am Standort starke Partner:innen wie das Fraunhofer-Institut für Angewandte Materialien und das Leibniz-Institut für Werkstofftechnologie haben, die an Klebetechnologien und hybriden Strukturen forschen.
Wie wird Ihre Arbeit in der Professur konkret aussehen?
Wir planen, neue Anlagen zu beschaffen, um Proben zu schweißen. Wir arbeiten dabei mit Spezialtechnologien wie Ultraschallschweißen und Widerstandsschweißen, die in der Kunststoffverarbeitung teilweise schon etabliert sind, aber auf Composite-Anwendungen in der Luftfahrt ausgeweitet werden sollen. Dazu entwickeln wir sensorische Systeme, die uns präzise Informationen über die Kräfte und Materialreaktionen liefern, um die optimalen Prozessparameter zu ermitteln und zu kontrollieren. Ich sehe hier großes Potenzial, das Institut in diesen Bereichen weiter auf globalem Niveau zu stärken.

Fühlt sich in Bremen wohl: Prof. Daivd May, Bild: ECOMAT/Rathke
Nach den ersten Wochen im Amt – hatten Sie bereits Gelegenheit, erste Strategien und Zukunftspläne zu entwickeln?
Für die Zukunft habe ich mir drei wesentliche Punkte vorgenommen: Schweißtechnologien vorantreiben, Synergien zwischen unserer Forschung in den Bereichen Fasern und Faserverbundwerkstoffen nutzen, Netzwerke und Kooperationen bestärken.
Mein Ziel ist es, ein Labor zu etablieren, das in der Lage ist, schnell und präzise Aussagen zu passenden Schweißverfahren für unterschiedliche Materialien und Anwendungsfälle zu treffen.
Jetzt mal ein ganz anderes Thema. Ihr bisheriges Leben hat sich im Süden abgespielt. Wie sind Sie in Bremen bei uns Nordlichtern angekommen?
Wir hatten das Glück, im Sommer umzuziehen, und Bremen hat sich bisher von seiner schönsten Seite gezeigt. Die Bremer Mentalität passt auch gut zu uns. Natürlich merkt man, dass die Menschen in jeder Region etwas anders "ticken", aber bisher habe ich die Bremerinnen und Bremer als sehr unkompliziert und nahbar erlebt, besonders im universitären Umfeld.
Und haben Sie schon ein Fischbrötchen verspeist?
(lacht) Das noch nicht, aber den Knipp haben wir bereits getestet, sehr lecker!
Ein guter Start! Noch eine andere Bremer Tradition scheinen Sie zu lieben: In Ihrem Büro steht ein Mountainbike, ist Fahrradfahren Ihr Hobby?
Ja, definitiv. Der Pfälzerwald war fürs Mountainbiken perfekt, aber Bremen hat den Vorteil, dass man hier toll Strecke fahren kann – auch mit den Kindern. Da es in Bremen keine Berge gibt, ist es für die Kleinen viel einfacher. Besonders genießen wir es, ins Blockland über den Deich zu radeln, solange das Wetter mitspielt. Wir nutzen auch oft die schönen Parks wie den Stadtwaldsee, den Bürgerpark und den Rhododendron-Park.
Eine letzte Frage: Was würden sie gern jungen Absolvent:innen oder Schüler:innen mitgeben?
Das ist eine sehr spannende Frage, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Studierendenzahlen in den technischen Bereichen in Deutschland rückläufig sind, was mir große Sorgen bereitet. Ich bin fest davon überzeugt, dass unser Wohlstand stark von gut ausgebildeten Ingenieurinnen und Ingenieuren sowie technischem Fachpersonal abhängt.
Was ich jungen Leuten mitgeben möchte, ist, dass es die Ingenieurinnen und Ingenieure sind, die innovative und anwendungsorientierte Lösungen entwickeln, um "dreckige" Maschinen „sauber“ zu machen und Mikroplastik im Ozean loszuwerden usw. Es ist wichtig, den technischen Berufen nicht den Rücken zu kehren, sondern aktiv daran mitzuwirken, wenn man eine nachhaltigere Zukunft gestalten will.
Gerade auch Frauen möchte ich ermutigen, sich noch mehr für technische Berufe zu begeistern. Es gibt so viel Raum für Gestaltung, und es ist wichtig, dass wir alle diese Chancen wahrnehmen und für die Zukunft nutzen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person Prof. Dr. David May
Der 37-Jährige folgt auf Prof. Dr. Axel Herrmann, der im April in den Ruhestand ging. Neben der Institutsleitung bekleidet May auch die Airbus-Stiftungsprofessur und wird dort an Fügetechnologien arbeiten. Der gebürtige Badener forschte zuvor am Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) in Kaiserslautern.


