Blind und gleichzeitig präzise schweißen: Laser trifft KI

Das Laserstrahlschweißen von Nickelwerkstoffen im industriellen Maßstab stellt eine besondere Herausforderung dar. Das Bremer Institut für angewandte Strahltechnik GmbH (kurz BIAS) hat ein innovatives Fertigungsverfahren entwickelt, das erstmals ein automatisiertes und sicheres Schweißen von Nickelkomponenten im verdeckten T-Stoß ermöglicht.

Um unseren Energieverbrauch auf nachhaltige und erneuerbare Ressourcen umzustellen, braucht es neue Technologien in vielen Bereichen, ob nun im Energiesektor, Verkehr oder dem Maschinenbau. Neue, effizientere Fertigungsverfahren gehen mit diesen Technologien einher. Eine wichtige Anwendung für die Zukunft ist das Laserstrahlschweißen von Nickel.

Dieses Verfahren hat sich das BIAS Bremer Institut für angewandte Strahltechnik GmbH gemeinsam mit weiteren Industriepartner:innen jetzt angesehen. Denn: Bisherige automatisierte Industrie-Schweißverfahren waren langsam und zum Teil nicht präzise genug – und gerade fürs Laserstrahlschweißen von Reinnickel gab es bisher kaum wissenschaftliche Beschreibungen und Ansätze.

Das Problem:

In industriellen Fertigungsprozessen müssen Stege an eine Nickelplatte angebracht werden – der Fertigungsprozess erfordert es jedoch, dass diese Stege unter der Platte liegen, aber von oben geschweißt wird. Diese T-förmigen Schweißverbindungen entstehen somit „blind“.

Bei einer Breite von weniger als 1,5 mm pro Steg und einer Länge von über einem Meter können diese schmalen Metallbleche im Produktionsprozess jedoch leichte Positionsabweichungen aufweisen – die vorher einprogrammierte Schweißbahn des Laserstrahls weicht von der tatsächlichen Lage der Stege minimal ab und es kann zu Fehlstellen in der Schweißverbindung kommen.

Forschungsprojekt: KI-basierte Detektion der Schweißbahnabweichung im T-Stoß

Dieses Problem – im Fachjargon Schweißen verdeckter T-Stöße genannt – ist Gegenstand eines Forschungsprojekts am BIAS.

Das Team um BIAS-Projektleiter Marcel Möbus hat in den vergangenen drei Jahren eine Lösung gefunden – und die setzt auf eine Expertise des Bremer Instituts: Laserstrahlschweißen mit Sensorik zur Echtzeitüberwachung.

Das Team setzt auf einen sogenannten OCT-Messtrahl: Mittels diesem kommt das Messverfahren der Optischen Kohärenztomographie (OCT) zum Einsatz. Diese Messmethode nutzt Licht, um Informationen über die Tiefe des Schweißprozess zu erhalten. Ähnlich wie ein Ultraschall, nur auf Licht basierend und sehr viel präziser (Auflösungsvermögen im Mikrometer-Bereich).

Der leistungsschwache aber präzise OCT-Strahl wird so ausgerichtet, dass er denselben Weg wie der Laserstrahl nimmt. Während des Schweißvorgangs misst er die Tiefe des sogenannten „Keyhole“, einer sehr kleinen, durch den Laser erzeugten Dampfkapillare im Material.

Kommt es beim Laserstrahlschweißen nun zu einer Positionsabweichung des Stegs, kann das OCT-Messinstrument das entsprechend an den Tiefeninformationen erkennen. „Ausgehend davon haben wir eine ereignisabhängige Positionsregelung entwickelt, welche die Kanten noch vor dem Verlassen des Stegs detektiert und die Position des Laserstrahls noch während des Schweißvorgangs justiert, sodass dieser immer auf dem Steg bleibt“, so Möbus.

Regelalgorithmus erkennt Kanten und verhindert Fehlstellen in der Schweißnaht

Das Besondere an der neuen Technologie: Die Steuerung greift ein, noch bevor ein Fehler entsteht. Bereits frühzeitig erkennt das System, wenn sich der Laser einer Kante nähert, und passt die Schweißposition an. Dadurch werden Fehlstellen in der Schweißbahn effektiv verhindert.

Dies gelang dem Team durch eine Kombination aus genauer Auswertung der OCT-Messwerte und eines geschickten Regelungsalgorithmus. „Zudem haben wir im Anschluss mit den Daten eine künstliche Intelligenz trainiert und in die Regelung implementiert. Sie hat die Genauigkeit unserer Regelung nochmal erhöht, die KI erkennt bis zu 200 Millisekunden früher, wenn ein Nachregeln erforderlich ist“, so Möbus.

Validierung des Verfahrens angestrebt

Bei der eingesetzten Technik handelt es sich laut Möbus um industrielle Standardprodukte, die das Team mit entsprechenden Auswerte- und Regelungsalgorithmen ausgerüstet hat. Neben der OCT-Messtechnik kommen etwa auch Akustische- oder Temperatursensoren zur Fehlstellendetektion in Echtzeit zum Einsatz. Für die KI-Integration setzte das Team auf einen FPGA-Controller (festprogrammierter Mikrocontroller) der auch im industriellen Maßstab verwendet werden könnte. Bisher funktioniert der Aufbau im Labor – die Validierung des Systems für eine spätere industrielle Praxis ist die nächste Aufgabe des Projektteams, das bis Ende 2025 die Arbeiten abschließen will.

Erste wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Laserstrahlschweißen von Reinnickel

Neben der Positionsregelung beim Laserstrahlschweißen mittels OCT und neuronalen Netzen betrat das BIAS auch beim Laserstrahlschweißen von Reinnickel Neuland. „Bislang gibt es kaum wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Laserstrahlschweißen von Reinnickel. Wir sind die ersten, die sich in Kombination mit der anspruchsvollen Technik des Schweißens im verdeckten T-Stoß und dem Einsatz von KI wissenschaftlich damit befasst und dazu publiziert haben, darauf sind wir schon etwas stolz“, berichtet Möbus.

Besonders die Entwicklung zu immer höheren Schweißgeschwindigkeiten bei minimalen Fehlertoleranzen sei dabei herausfordernd gewesen, so der Projektleiter. „Dank innovativer Laserstrahlquellen und unserer Prozessentwicklung sind Schweißgeschwindigkeiten von über 20 m/min möglich. Das ist mehr als eine Verdopplung und damit ein echter Fortschritt für die Technologie bei gleichzeitiger Erhöhung der Prozesssicherheit“, führt er aus.

Damit zeige das Institut, gleichzeitig auch Partner im Bremer Forschungs- und Technologiezentrum ECOMAT, zudem auch die Bremer Wissenschaftskompetenz in der Material- und Prozessentwicklung – hier arbeiten zahlreiche Institute und Industriepartner:innen gemeinsam an neuen Lösungen für die Technologie.

Publikationen:

Krämer, A; Pordzik, R; Mattulat, T: Influence of the airborne sound sensor position on the detectability of acoustic emissions during deep penetration laser welding; Tagungsband 13. Mittweidaer Lasertagung, Scientific Reports, Journal of the University of Applied Sciences Mittweida, Nr. 3 (2023) 57-62 (ISSN 1437-7624)

Ahlers, T; Pordzik, R; Mattulat, T: Approaches for automatic detection of mispositioning during laser welding in hidden T-joints using optical coherence tomography; Tagungsband 13. Mittweidaer Lasertagung, Scientific Reports, Journal of the University of Applied Sciences Mittweida, Nr. 3 (2023) ISSN 1437-7624

Pordzik, R; Seefeld, T: Identifying the direction of weld path deviations in laser deep penetration welding of hidden T-joints by means of OCT; Journal of Laser Applications (ICALEO 2024) paper no. 0877-1306-000092

Möbus, M; Pordzik, R; Krämer, A; Mattulat, T: Process comparison of laser deep penetration welding in pure nickel using blue and infrared wavelengths; Welding in the World (2024) https://doi.org/10.1007/s40194-024-01713-9

Möbus, M; Pordzik, R; Seefeld, T: Influence of intensity distributions on the process dynamics during laser deep penetration welding of pure nickel with a flexible ring mode laser source; J. Laser Appl. 36, 042073 (2024) https://doi.org/10.2351/7.0001529

Mattulat, T: Understanding the coaxial optical coherence tomography signal during the laser welding of hidden T-joints; Journal of Laser Applications 36 (2024) 012003, doi: 10.2351/7.0001157

Krämer, A; Henze, I; Pordzik, R; Radel, T: Inline detection of process anomalies during laser deep penetration welding of hidden T-joints; 13th CIRP Conference on Photonic Technologies (LANE 2024), eds.: M. Schmidt, C.B. Arnold, K. Wudy. Elsevier B.V. [Volume 124] (2024) 526 - 529, https://doi.org/10.1016/j.procir.2024.08.167

Informationen zum Förderprojekt: https://www.enargus.de/detail/?id=7518736


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