Aus der Sonne Südfrankreichs in den norddeutschen Sommer: Ein Praktikum am ECOMAT

Für Studierende sind Praktika oft der erste Berührungspunkt mit der Arbeitswelt. Im ECOMAT in Bremen ermöglicht unter anderem Airbus Studierenden einen Einblick in die Luftfahrtbranche – im Sommer 2024 nutzte Éva Perrier die Gelegenheit. Und lernte dabei viel Neues, auch über sich selbst.

Die Französin studiert an der Polytech Montpellier Werkstofftechnik mit Spezialisierung auf Mechanik. Am Ende ihres vierten Studienjahres stand ein Auslands- und Praktikumsaufenthalt an – die angehende Ingenieurin entschied sich für Airbus und landete so im ECOMAT. Was die 21-Jährige hier erlebt hat, schildert sie im Interview:

Frau Perrier, wie sind Sie darauf gekommen, vom sonnigen Südfrankreich ins wechselhafte Norddeutschland zu ziehen?

Es bestand bereits ein Kontakt zwischen der Polytech und Airbus in Bremen, es gibt dort ein Verzeichnis möglicher Kooperationsorte und -partner, in dem ich gestöbert hatte und so Bremen fand. Ich hatte mich bei meinem jetzigen Praktikumsleiter Hubertus Lohner im Oktober hier in Bremen beworben mit einem Lebenslauf und Motivationsschreiben. Natürlich habe ich mich sehr gefreut, als er mich dann im November zu einem Video-Interview eingeladen hat, um genau zu erfahren, was ich suchte. Daraufhin erstellte er ein Praktikumsangebot auf der Website, und ich begann mein Praktikum Anfang Mai und konnte es im April 2024 antreten. 

Am Anfang war es ziemlich schwierig, eine Unterkunft für vier Monate aus der Ferne zu finden, also habe ich mit einer Airbnb-Unterkunft angefangen. Aber als ich hier ankam, war ich von Bremen sehr angenehm überrascht. Die Menschen sind nett, offen und höflich, und ich habe mich hier schnell integriert. Und der Sommer ist auch ganz angenehm, es sind ja nicht 40 Grad Celsius hier (lacht.)

Wie war für Sie der Start im ECOMAT?

Am Anfang habe ich eine Tour durch das Gebäude erhalten, das war schon sehr überwältigend. Das ECOMAT ist riesig, ich war beeindruckt von dem Komfort der Ausstattung, dem Platz in den Büros und der Größe der Etagen. Aber man gewöhnt sich schnell daran. Ich arbeite in einem offenen Workspace bei Airbus. Dort sitzen viele verschiedene Airbus-Mitarbeitende, aber auch manchmal welche von der ArianeGroup – das ist ein tolles Umfeld, in dem man schnell viele Leute kennenlernt.

Besonders als Französin war das einfach, weil es viele französischsprachige Beschäftigte bei Airbus und der ArianeGroup in Bremen gibt. Mit ihnen konnte ich natürlich schnell in Kontakt kommen, weil sie auch untereinander gut vernetzt sind. Aber auch darüber hinaus fand ich im ECOMAT schnell Anschluss.

Was sind Ihre Aufgaben im ECOMAT?

Ich unterstütze beim Fire Safety Centre von Airbus, was hier direkt neben dem ECOMAT gebaut wird. Dort werden künftig Untersuchungen über die Feuersicherheit von Materialien durchgeführt, speziell für Wasserstoffanwendungen. Mein Praktikumsleiter Hubertus Lohner ist zugleich auch Leiter des FSC. Ihm helfe ich im Projektmanagement, bei der Organisation und bin bei vielen Meetings dabei.

Meine zweite Aufgabe ist es, in den ECOMAT-Laboren von Airbus Poster der technischen Geräte zu designen, damit zum Beispiel bei Führungen es den Besucher:innen einfacher gemacht wird, deren Funktionsweise zu verstehen.

Hatten Sie schon Erfahrung im Projektmanagement?

Ich hatte einige Kurse zum Projektmanagement – aber das im echten Berufsleben zu erfahren und mein Wissen umzusetzen war neu für mich – und wirklich spannend!

Könnten Sie sich vorstellen, das weiterhin zu machen?

Bisher hatte ich mir vorgestellt, als Ingenieurin in der Konstruktion, Fertigung oder im Bereich Forschung & Entwicklung direkt an den Themen zu arbeiten. Hier im ECOMAT habe ich aber gelernt, wie wichtig Projektmanagement ist, damit große Vorhaben gelingen. Man muss viel mit Leuten sprechen und ihnen gut zuhören – und das ist etwas, was mir liegt. Gleichzeitig braucht man aber auch viel technische Expertise, auch wenn man vielleicht nicht selbst etwas am Computer konstruiert. Dieser Aspekt geht also nicht verloren. Ich könnte mir später gut vorstellen, auch selbst einmal in Projektmanagementbereich zu arbeiten.

Was nehmen Sie aus Ihrer Zeit in Bremen mit?

Die Erfahrung, ein großes Team effizient zusammenarbeiten zu sehen, war sehr lehrreich für mich. Im Studium arbeite ich oft für sich oder nur in kleinen Projekten mit anderen zusammen. Hier am ECOMAT habe ich gelernt, wie wichtig gute Kommunikation im Team ist und wie sie überhaupt funktioniert. Und welchen Wert es hat, seine Ressourcen mit anderen zu teilen, um gemeinsam Wissen aufzubauen.

Es war auch spannend, etwas Neues über mich zu entdecken. Wie man es schafft, sich in einer völlig neuen Umgebung zurecht zu finden, wo man niemanden kennt. Und dort neue Freundinnen und Freunde zu finden, das ist glaube ich ein wichtiger Skill.

Möchten Sie in der Luftfahrtbranche bleiben?

Die Luftfahrtbranche wandelt sich und hier in Bremen an der nachhaltigen Zukunft zu arbeiten, ist natürlich wahrsinnig motivierend. Ich würde aber auch gern andere Branchen kennenlernen wie Automotive oder Nuklearenergie, immer mit dem Fokus auf Werkstoffmechanik.

Woher kommt das Interesse dafür?

Ich finde Metalle sehr spannend, ihre Eigenschaften und Anwendungen, besonders im Bereich der mechanischen Geräte wie Motoren, ob im Auto oder im Flugzeug als Turbine. Als Kind war ich fasziniert von Flugzeugen und Raketen. Mein Vater war ein riesiger Formel-1-Fan, ich habe immer die Rennen mitangeschaut. Die Geschwindigkeit, die Geräusche, das war faszinierend und damit war klar: Das will ich auch!

Leider ist es heute noch Realität, dass Frauen in Ingenieurswissenschaften unterrepräsentiert sind. Wie nehmen Sie das in Ihrer Generation wahr?

Ich habe viele gute aber auch ein paar schlechte Erfahrungen gemacht. Im Studium versuchen wir Frauen zusammenzuhalten und uns gegenseitig zu stärken. Vereinzelt erhalten wir negative Kommentare von den männlichen Studierenden, das ist natürlich kein schöner Charakterzug.

Wirken diese Kommentare demotivierend?

Im Gegenteil, es motiviert mich umso mehr! Ich denke immer daran, wie es vor 50 Jahren noch so gut wie unmöglich war, als Frau in diesem Feld zu studieren und zu arbeiten. Es hat sich sehr viel getan und ich bin froh, Teil einer Veränderung zu sein. An der Polytech ist das Geschlechterverhältnis 50:50, darauf sind wir schon sehr stolz, es gibt dort auch sehr viele Bestrebungen, Frauen zu unterstützen.

Hier im ECOMAT habe ich mich immer sehr willkommen gefühlt, die Arbeitsatmosphäre ist toll und die Menschen hilfreich. Da ist das gar kein Thema.

Teilen Sie diesen positiven Eindruck auch mit Bremen als Stadt?

Ja, Bremen ist toll! Am Anfang kannte ich niemanden, das war schon sehr hart. Aber ich habe schnell Anschluss gefunden, ob nun zu anderen Landsleuten, Studierenden oder anderen Bremerinnen und Bremern. Ich habe im Vorfeld auf Facebook nach Gruppen von Französinnen und Franzosen in Bremen gesucht. Daraus haben sich feste Freundschaften entwickelt. Jetzt treffe ich mich so gut wie jeden Tag mit jemanden, wir genießen die gemeinsame Zeit.

Haben Sie einen Lieblingsplatz in Bremen?

Der Werdersee und die Schlachte-Promenade. Wenn das Wetter gut ist, kann man die Sonne und das Wasser genießen. Abends zusammenzusitzen mit Freundinnen und Freunden, ein Bier zu trinken, das ist fantastisch.

Vermissen Sie auch etwas?

Meine Familie, Freundinnen und Freunde und besonders meine Katze (lacht). Und dann natürlich das Essen. Und es gibt eine Sprachbarriere. Ich spreche kein Deutsch.* Ich konnte mich zwar gut auf Englisch zurechtfinden, aber manchmal hakt es doch, zum Beispiel im Supermarkt. Man fühlt sich erst angekommen an einem Ort, wenn man die Sprache spricht.

Eine abschließende Frage: Was würde Sie motivieren, künftig nach Bremen zu ziehen und hier zu arbeiten?

Die Mentalität. Die Bremerinnen und Bremer sind respektvoll, alle sind so offen, freundlich und höflich. Das spürt man in der Stadt und es führt auch zu einer angenehmen Arbeitsatmosphäre.

Die Infrastruktur ist hier auch besser, besonders im ECOMAT. Alles ist so ausgelegt, dass man gut arbeiten kann. Zudem habe ich mich in Bremen sehr sicher gefühlt.

Danke für das Gespräch!

*Interview wurde auf Englisch geführt

 

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