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Leichte Sprache / Deutsche Gebärdensprache
Person posiert vor einer Geräteanlage

Daniel Reckzeh

„Ich möchte Zunder in die Diskussion um die Luft- und Raumfahrt bringen“

Der Deutsche Luft- und Raumfahrtkongress (DLRK)ist jährlicher Anziehungspunkt für die nationale Luftfahrt- und Raumfahrtbranche. 2021 findet er vom 31. August bis 2. September in hybrider Form in Bremen statt – und lädt nationale wie internationale Expertinnen und Experten virtuell ins ECOMAT ein.

Ein Kongress, der wichtiger denn je ist. Denn die Luftfahrt steht vor einschneidenden Veränderungen. Um klimaneutral zu fliegen, werden sich Flugzeuge grundlegend verändern müssen, eine ganze Branche muss umdenken. Wir haben uns mit Daniel Reckzeh, Koordinator für das Research and Technology Plateau bei Airbus in Bremen wie auch Leiter der Programmkommission des DLRK unterhalten.

Herr Reckzeh, ein Kongress lebt von der Interaktion – eine Herausforderung in Coronazeiten. Die Luftfahrtbranche braucht aber gerade jetzt eine intensive Diskussion über Zukunftskonzepte. Wie sorgen sie für virtuellen „Schlagabtausch“?

Reckzeh: Wir starten den DLRK mit einem Plenartag, an dem die Interaktion im Vordergrund steht. Die Rednerinnen und Redner sitzen hier im ECOMAT, während die Gäste per Livestream hinzufinden. Am Plenartag sollen die Zuhörerinnen und Zuhörer einen Blick auf „das größere Bild“ erhalten, gesellschaftliche Zusammenhänge erkennen.

Am zweiten und dritten Tag gibt es neben den virtuellen Fachvorträgen immer einen Chairman, der im Anschluss an die Vorträge eine Online-Livediskussion moderiert. Da ist der Austausch möglich wie bei einem realen Vortrag und wir hoffen, dass sich in den Livestreams fachliche Diskussionen entwickeln.

Wir alle haben ein Jahr mit digitalen Formaten, Videokonferenzen und Seminaren hinter uns. Ist realer Austausch heute noch relevant für einen Fachkongress?

Reckzeh: Viel Netzwerkarbeit findet üblicherweise an Gesellschaftsabenden, Exkursionen und im Abendprogramm statt. Das können wir unter den Coronabedingungen nur schwer anbieten und das ist natürlich sehr schade. Das wird auch in Zukunft wichtig bleiben.

Wir sehen aber auch, wie hybride Formate die Reichweite erhöhen können. Man kann nicht nur die einigen hundert Personen erreichen, die tatsächlich zum Veranstaltungsort anreisen, sondern auch Interessierte, die in anderen Teilen der Welt sitzen und vielleicht nur einen Teil des Programms mitnehmen wollen. Das wird sicherlich bleiben.

Der DLRK steht unter dem Motto „Luft- und Raumfahrt - Visionen für eine nachhaltige Zukunft“ – welche Technologien stehen bei den Fachvorträgen im Fokus?

Reckzeh: Der Fokus liegt klar auf Zero-Emission-Technologien. Dazu gehören neuartige Energieträger wie Wasserstoff ebenso wie auch Ultraeffizienz und Auftriebsflächen, die zu beeindruckender Verbesserung im Kraftstoffverbrauch führen.

Im Gegensatz zu früher haben wir es nicht mehr mit evolutionären Technologien zu tun – Verbesserungen der bestehenden und bewährten Technik. Heute stehen wir vor einem System-Level-Change. Das emissionsfreie Fliegen erfordert ein ganzheitlich neues Herangehen. Und das ist unheimlich spannend, weil wir da übergeordnete Kompetenzen aus vielen Bereichen benötigen.

Die Branche arbeitet in Zukunft also noch viel interdisziplinärer?

Reckzeh: Wenn wir nicht zusammenarbeiten, passiert gar nichts. Wir haben als Community die Aufgabe, die einzelnen Bausteine zueinander zu führen und die Disruption in der Branche anzuschieben. Viele der Kompetenzen, die wir in Zukunft brauchen, kommen zum Beispiel aus der Raumfahrt. Wenn ich hier in Bremen aus dem Fenster schaue, sehe ich das Ariane-Fertigungszentrum, da fliegen wir schon seit 40 Jahren mit Wasserstoff.

„Innovation findet an der Kaffeemaschine statt.“

Daniel Reckzeh

Sind Sie auch deshalb in diesem Jahr im ECOMAT, das für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit steht?

Reckzeh: Was wir auf dem Kongress auf bundeweiter Ebene herbeiführen wollen, das findet auf solchen Plattformen wie dem ECOMAT heute schon statt. Wir können nicht mehr klassisch arbeiten, wo jede und jeder auf ihren und seinen Bereich schaut oder mal Kontakte zu anderen Institutionen nutzt. Heute müssen wir viel vielschichtiger, interdisziplinärer und paralleler arbeiten. Dazu müssen die Leute zusammenfinden. Innovation findet „an der Kaffeemaschine“ statt.

In Frankreich verabschiedete das Parlament jüngst ein Gesetz, das bestimmte Inlandsflüge verbietet. Inwieweit sprechen Sie bei so einer Konferenz auch über aufkommende Regularien und Haltungen zum Fliegen?

Reckzeh: Implizit schwingt das natürlich mit. Es geht um die Frage: Wie wollen wir in Zukunft fliegen? Wir können die Luftfahrt anders gestalten. Wenn wir mit neuen Antriebsarchitekturen emissionslose Flugzeuge bauen, finden wir womöglich neue Antworten auf aktuelle Fragen. Für mich geht es darum, Fliegen als attraktivere Option auf bestimmten Strecken zu ermöglichen. Das wirkt sich nicht nur auf die Frage nach Antriebskonzepten aus, sondern auch auf Infrastrukturen und neue Systeme bis hin zum autonomen Fliegen. Im Gegensatz zu vor zehn Jahren sind viele Dinge heute nicht mehr Science-Fiction, sondern greifbar.

Bisher haben wir noch nicht über die Raumfahrt gesprochen …

Reckzeh: … das ist natürlich in Bremen als Stadt der Raumfahrt quasi erste Bürger:innenpflicht. Auf dem Kongress ist sie auf Augenhöhe mit der Luftfahrt vertreten.

Auch die Raumfahrt steht vor großen Umwälzungen. Elon Musk, Jeff Bezos, Richard Branson – wenn es um Raumfahrt geht, machen vor allem Amerikaner international Schlagzeilen. Wo steht da Europa?

Reckzeh: Auf der anderen Seite des Teichs entstehen massive Bedrohungen für das, was wir hier in Europa mit der Raumfahrt machen. Für die hiesige Raumfahrt geht es darum, kostengünstiger zu werden. Wo wir in der Luftfahrt die Poleposition innehaben was das Zero-Emission-Fliegen angeht, sind wir in der Raumfahrt angestachelt, uns zu bewegen. Aber der Wettbewerb bringt auch interessante neue Entwicklungen mit sich, wenn es etwa um Stichworte wie New Space, Mikrolauncher oder Satelliten-Konstellationen geht. Das spiegelt sich natürlich auch bei so einer Konferenz wieder.

Auf welchen Programmpunkt freuen Sie sich besonders?

Reckzeh: Der Plenartag ist schon ziemlich cool. Wir haben Podiumsdiskussionen geplant, die relevante gesellschaftliche Diskussionen anregen sollen, denn wir stehen ja in der Branche vor drastischen Herausforderungen. Da erwarte ich schon etwas Zunder. Veränderungen stehen dicht vor der Tür – wenn wir bis 2035 emissionsfrei fliegen wollen, müssen wir heute anfangen. Sonst ist es zu spät.

Herr Reckzeh, vielen Dank für das Gespräch!

Zum Kongress:

Der Deutsche Luft- und Raumfahrtkongress (DLRK) 2021 findet vom 31. August bis zum 2. September 2021 in hybrider Form im ECOMAT in Bremen statt. Eine Teilnahme ist aufgrund der Corona-Pandemie nur per Livestream möglich. Der DLRK wird von der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) ausgerichtet. Informationen sowie die Möglichkeit zur Anmeldung zum Kongress gibt es unter https://dlrk2021.dglr.de.

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